LEANDRA LOW
»Das sind die Starken, die unter Tränen lachen. Eigene Sorgen verbergen und andere glücklich machen!«  (Franz Grillparzer)

DIE SEELENLOSREIHE:

In der neunteiligen Buchreihe Seelenlos ist die Rahmenhandlung eigentlich der Kampf zwischen der Seite des Lichts und der Dunkelheit. Aber dies ist nur die Hintergrundgeschichte. Das, was zwischen den vielen einzelnen facettenreichen Charakteren so abläuft, ist viel spannender, als jegliches Kampfgeschehen. 

Hier trifft man unter anderem auf Engel, die nicht immer so sind, wie man sich diese Himmelskrieger vorstellt. Und Dämonen, an denen man wortwörtlich sein Herz verliert! Aber auch andere, von denen man sich einfach nur gern täuschen lassen möchte. Oder, wo man als Leser geneigt ist, sie mal kräftig durchzuschütteln, damit sie wieder gerade gehen. Gut ist nicht immer gut und auch das Böse liegt jeweils im Auge des Betrachters. 

Bleiben also die Fragen: Dürfen kaltblütige Dämonen positive Gefühle zeigen, ohne gleich von ihren Artgenossen vernichtet zu werden? Dürfen Engel lügen, lästern und lasterhaft sein? (Meiner Meinung nach auf jeden Fall! Da sie sonst viel zu langweilige Gesellen wären!) Sind Gestaltenwandler die besseren Haustiere? Wer hätte nicht gern einen verschmusten Wer-Panther, oder einen verspielten Wer-Wolf? Und warum sollten übernatürliche Wesen nicht die gleichen Beziehungskämpfe führen dürfen, wie wir ach so Normalsterblichen? Natürlich mit der dazugehörigen Portion Erotik! 

Wer also Lust hat, den impulsiven Elfenkaiser Albian auf seiner Engelssuche durch die Zeittunnel der Menschheit zu begleiten. Über den ein oder anderen Charakter herzhaft zu lachen, oder auch mal um ihn zu trauern und vor allem, mit ihnen mitzufiebern und zu hoffen, der darf sich gern von mir in meine fantasievolle Welt Altania entführen lassen. Oder auch mit den Dämonen die Welt der Menschen aufmischen. Mal blutig, mal mit Witz und Charme. Alles in allem erwarten den Leser in dieser Buchreihe über 4000 DinA-5 Seiten voller Abenteuer, auf der Jagd nach dem dreizehnten Krieger, der für den Ausgang des Krieges für beide Seiten entscheidend ist. 

Viel Vergnügen, Eure   Leandra Low. 


Es ist verdammt kompliziert, für jedes Buch in knappen Sätzen die ungefähre Handlung von jeweils rund 400 Seiten wiederzugeben, ohne allzu viele Spoiler. Ich will es dennoch versuchen. Wobei ich mich wirklich nur auf das Wesentliche konzentriert habe und die vielen kleineren Handlungsstränge rund um die Hauptgeschichte der Seelenlos-Reihe bewusst außer acht gelassen habe. Also dann … 

BAND 01 DIE ENGELSSUCHE:

Elfenkaiser Albian van DeBeladore steht vor einer schweren Aufgabe, um den Frieden seines Volkes zu bewahren. Zunächst muss er eine Frau erwählen, die ihm laut Prophezeiung einen seelenlosen Sohn gebärt, welcher noch eine wichtige Rolle spielen wird. Hiernach begibt er sich auf Zeitreisen durch die Geschichte der Menschheit, um auf der Erde neue Engelkrieger zu finden, die ihm im Kampf gegen die Dämonen beistehen sollen, die seinen Heimatplaneten Altania und auch die Welt der Menschen bedrohen. 

Um die Tunnel zu den Zeitepochen der Menschheit zu öffnen und dort auch brauchbare Krieger zu finden, benötigt er einen Dimensionenschlüssel, der sich beim feindlichen Vampirvolk befindet. Eine Halbvampirin ist ihm bei der Beschaffung des Schlüssels eine wertvolle Hilfe, verlangt aber eine Gegenleistung. Danach begibt er sich auf die Suche nach geeigneten Kriegern, nichts ahnend, dass sich auch die Dämonen für den großen Kampf bereit machen. …

LESEPROBE AUS BAND EINS - SEELENLOS - DIE ENGELSSUCHE:

PROLOG!

 DEUTSCHLAND: JUNI 2006

     Die Schlange an der Supermarktkasse schob sich nervig langsam voran und ließ einige der wartenden Personen lustlos aufstöhnen.
     Die 41-jährige Eleonora Delmarco nutzte diesen geschenkten Moment und kramte in ihrer Handtasche nach dem Lippenbalsam, als ihr ein schmaler, silbrig schimmernder Briefumschlag in die Hände fiel, welcher sich eigenartig warm anfühlte.
     Verwirrt riss Eleonora den Umschlag auf. Sie zog eine blütenweiße Karte hervor, auf der in einer schön geschwungenen, spinnwebdünnen Schrift nur ein Satz stand, der jedoch Eleonora augenblicklich vor Angst die Kehle zuschnürte.

                                    »BRING IHN FORT! SIE KOMMEN!«
      Ohne weiter auf das Unverständnis ihres Umfeldes zu achten, ließ Eleonora ihren Einkaufswagen stehen, schnappte sich lediglich ihre Handtasche und verließ fluchtartig das Einkaufszentrum.

     Sie hetzte zu ihrem Wagen, der auf dem weitläufigen Parkplatz stand, und stieg eilig ein. Im Laufen zog sie zuvor noch ihren Mantel aus und warf diesen nach dem Einsteigen zusammen mit ihrer Tasche achtlos auf den Beifahrersitz.
     »Hallo Mamilein, wohin so eilig?«, fragte eine spöttische, dunkle Stimme.
     Erschrocken schrie Eleonora auf und fuhr herum.
     Auf der Rückbank lümmelte sich ein auffällig gekleideter Mann und stieß den bläulichen Qualm einer Zigarette aus.
     »Wer … wer sind Sie?«, stieß Eleonora hervor, obwohl sie es bereits ahnte.
     Geheimnisvolle Augen, die in leuchtenden Grüntönen funkelten, checkten sie betont gelangweilt ab.
     »Mamileinchen, du enttäuscht mich!« Er setzte sich auf und umschlang mit seinen muskulösen Armen den Beifahrersitz. Dabei gruben sich lange, krallenartig zurechtgefeilte Fingernägel, die aussahen, als seien sie dunkelgrün lackiert worden, in die Sitzpolster.
     »Du weißt ganz genau, wer ich bin und vor allem, was ich will.«
     Sein Lächeln war eiskalt, seine Stimme jedoch sanft. Trotzdem überkam Eleonora eine wachsame Gänsehaut.
     »N… nein, w… wirklich nicht. Ich habe keine Ahnung was Sie von mir wollen«, brachte sie mit zittriger Stimme hervor.
     Blitzschnell legten sich die Hände des Fremden, die eben noch den Beifahrersitz umklammerten, um ihren Hals. Sie zuckte zusammen, als sich sein Daumennagel schmerzhaft in ihre Haut bohrte. Spürte dabei, wie ein einzelner Tropfen Blut warm ihre Kehle herabrann.
     »Wo ist deine Brut?«, zischte der Fremde dicht an ihrem Ohr.
     »Du wirst mich jetzt zu dem kleinen Bastard bringen, oder du machst gleich deinen letzten Atemzug, Schlampe!«
Eleonora nickte mechanisch und versuchte verzweifelt ihre aufsteigende Panik unter Kontrolle zu bringen.
     Die schlanken Hände verschwanden. Der unheimliche Fremde kletterte durch den Zwischenraum der Vordersitze nach vorne auf den Beifahrersitz, nachdem er ihre Sachen mit einem Tritt in den Fußraum befördert hatte.
     Er schüttelte seine leuchtend rote Mähne in den Nacken und grinste sie an: »Na, dann, worauf wartest du noch? Brauchst du eine Extraeinladung? Fahr endlich los«, forderte er.
     Er machte es sich bequem, indem er eines seiner langen, wohlgeformten Beine, die in hautengem, rotem Leder steckten, ausstreckte und sich mit dem Hacken des anderen Beins lässig gegen das Armaturenbrett abstützte.
Eleonoras Gedanken arbeiteten fieberhaft, während sie das Auto durch den dichten Stadtverkehr lenkte. Sie durfte nicht zulassen, dass dieser Typ, wer immer er auch war, Galimar in die Finger bekam. Sie erinnerte sich sofort wieder an Andrés Worte in der Nacht vor seinem mysteriösen Unfall. So, als sei es erst gestern gewesen. …

                                                                                            DAMALS …
     Sie hatten sich gerade geliebt.
     Elenora lag zufrieden neben André und hatte sich wie eine träge Katze an seine Brust gekuschelt.
     Er strich zärtlich über ihren Rücken, tief in Gedanken versunken.
     »Woran denkst du Liebster?«, fragte sie, während ihre Finger mit einer seiner rabenschwarzen Haarsträhnen spielten.
     »Es geht um unseren Sohn«, antwortete er.
     »Du musst mir etwas versprechen!«
     Sein ernster Tonfall ließ Eleonora aufhorchen. Sie richtete sich auf und blickte ihn abwartend an.
     »Irgendwann einmal, wenn Galimar älter ist, werden vermutlich ein paar Typen auftauchen. Bei denen wirst du großteils das Gefühl haben, sie seien einem Fotomodellkatalog entstiegen. Aber bitte lass dich nicht von einem perfekten Äußeren oder gar freundlichen, kultivierten Benehmen täuschen, denn sie sind unheimlich gefährlich und würden über Leichen gehen. Sieh daher zu, dass du dich … und vor allem Galimar vor ihnen in Sicherheit bringst, denn ich werde dann nicht mehr bei euch sein.«
     »Aber Liebster, wovon sprichst du da? Du machst mir Angst. Was sind das für Männer und warum wollen sie uns etwas antun? Und überhaupt, warum willst du uns verlassen? Ich meine …«
     Er schnitt ihr das Wort ab, indem er sanft einen Finger auf ihre Lippen legte.
     »Von Wollen kann keine Rede sein, mein Herz. Glaube mir, ich würde euch niemals freiwillig verlassen. Ich spreche davon, dass ich dann nicht mehr auf dieser Welt weilen werde. Aber sollte es wirklich soweit kommen, dann hab keine Angst, denn ich werde immer über dich und unseren Sohn wachen.«
     Eleonora war verwirrt über sein eigenartiges Benehmen und tausend Fragen schossen ihr durch den Kopf. Aber sie spürte, dass André nicht weiter über dieses Thema reden wollte. Daher nahm sie sich vor, es vorerst dabei zu belassen, ihn jedoch gleich am nächsten Tag noch einmal darauf anzusprechen.
     André spürte die Beunruhigung seiner Freundin, aber er konnte ihr einfach nicht die Wahrheit sagen, denn sie würde ihm derzeit nicht glauben. Und er konnte ihr dies nicht einmal verübeln.
Es tat ihm in der Seele weh, ihr bei ihrem baldigen Schmerz nicht beistehen zu können. Daher klammerte er sich wie ein Ertrinkender an sie und versuchte ihre Sorgen mit seiner Leidenschaft zu schmälern.
     Sie schliefen erneut miteinander und André war derart liebevoll, als wolle er sich so von seiner Liebsten verabschieden.
    Am nächsten Tag war er schon sehr früh aufgestanden, als Eleonora noch schlief. Er hatte ihr einen sanften Kuss auf die Stirn gehaucht und einige Worte gemurmelt, bei denen ein sanftes Leuchten kurz die schlafende Gestalt seiner Lebensgefährtin umschmeichelte.
     Dann war André in das Zimmer seines kleinen Sohnes gegangen.
     Der knapp vierjährige Galimar schlummerte tief und fest, als sein Vater an sein Bett trat und ihm das dunkelrote Haar, welches ihm seine Mutter vererbt hatte, aus der Stirn strich und die gleichen Worte murmelte, die er zuvor schon an seine Freundin gerichtet hatte.
     Dabei rollten ihm Tränen über die Wangen.
Er blinzelte sie weg, bevor er mit einer sanften, melodischen Stimme, die Eleonora in dieser Form niemals zu hören bekommen hatte, Worte in einer uralten Sprache sprach, welche ebenfalls von ihr nie zuvor vernommen worden war.

            »Sylania Delwarna! Uro balanja in falanas lu ALTANIA! Ino Jalimara du, Galimar.«

     Dann wandte er sich ab und verließ das Zimmer.
     Nur knapp vier Stunden später überbrachte man Eleonora Delmarco die Nachricht, dass ihr Lebensgefährte André Beldore auf dem Weg zur Arbeit bei einem Autounfall ums Leben gekommen sei.
     Eleonora war einem Zusammenbruch nahe gewesen.
     Ohne André erschien ihr das Leben sinnlos und sie wäre ihm am liebsten gefolgt, wenn da nicht Galimar gewesen wäre. Nur der Gedanke an ihn und die Angst davor, was aus ihm werden könnte, wenn sie ihn ebenfalls verließ, gab ihr den Willen weiterzumachen.

                                                                                                   HEUTE …
     Inzwischen hatten Eleonora und ihr geheimnisvoller Begleiter die Autobahn erreicht. Noch immer wusste die besorgte Mutter nicht so recht, was sie tun sollte.
     Ihre innere Stimme sagte ihr, dass der Fremde neben ihr nichts Gutes im Schilde führte. Eine wahre Aura des Bösen umgab ihn. Und egal wie sehr ihr gesunder Menschenverstand auch dagegen anzukämpfen versuchte, so wusste Eleonora doch insgeheim, dass der Unbekannte nicht von dieser Welt zu sein schien. Aber was zur Hölle war er? Und vor allem, warum wollte er ihren Sohn?
     Insgeheim verfluchte sie André, dass er ihr außer vagen Andeutungen und Warnungen nichts Konkreteres gesagt hatte, bevor er starb. Gleichzeitig schämte sie sich für diesen Gedanken. Bestimmt hätte er mehr gesagt, wenn er noch die Möglichkeit dazu gehabt hätte.
     »Was … was wollen Sie von meinem Kind?«, wagte sie es daher den Fremden anzusprechen. Wobei sie kaum zu atmen wagte, wegen des betörenden Duftes den er verströmte, der sie jedoch im Anbetracht der Situation eher abstieß.
     »Nichts, was du noch ändern könntest! … Ist es eigentlich ein Junge oder ein Mädchen? … Ich hoffe ja auf einen Jungen. Weiber bringen nur Ärger«, war die wenig befriedigende Antwort, wobei sich bei deren ironischen Klang Eleonora die Nackenhaare sträubten.
     »Warum wollen Sie das wissen?« Sie hasste ihre zittrige Stimme, aber sie musste wissen, was er vorhatte.
     »Frag nicht soviel! Sieh lieber zu, dass wir bald da sind. – Übrigens, dein Göttergatte war echt clever, dass er dich so manipuliert hat, dass man deine Gedanken nicht lesen kann. Hat uns ganz schön Zeit gekostet dich aufzuspüren. Aber letztendlich hat es ja doch nix genutzt, sonst wäre ich jetzt nicht hier. Nicht wahr, … Püppi ?«
      »Ich will wissen, was Sie von meinem Kind wollen«, beharrte Eleonora mit fester Stimme, seine Frage ignorierend.        »Wollen Sie ihm etwas antun?«
     Der Fremde lachte. Aber es war kein angenehmes Lachen. Es klang kalt und herzlos.
     »Wollen Sie ihm etwas antun?«, äffte er sie mit verstellter Stimme nach.
     »Oh, ihr Menschen seid so jämmerlich! – Nein, ich will mit dem Balg Backe, backe Kuchen spielen, du blöde Gans. – Natürlich tue ich ihm etwas an. Oder denkst du etwa, ich bin ein lieber Onkel, tätschle ihm das Köpfchen und sing es dann in den Schlaf?«
     Dann beugte er sich ihr seitlich zu und zischte leise, aber voll unterdrücktem Zorn: »Hör mir jetzt genau zu, du Erdenfotze. Entweder du hörst jetzt auf, mir blöde Fragen zu stellen und bringst mich zu deinem Welpen, oder ich schlitz dich vom Scheitel bis zur Sohle auf. Ich finde den kleinen Bastard auch ohne deine Hilfe. Ob du das nun willst oder nicht. Also tu uns beiden einen Gefallen und zögere das Unvermeidliche nicht noch länger heraus. Desto schneller und schmerzloser ist dein eigener Tod.«
     Eleonora verstummte, aber ihr Verstand arbeitete fieberhaft.
     Was konnte sie tun?
Dieser fremde Dreckskerl durfte Galimar nicht in die Finger bekommen. Vielleicht würde er ihn nicht töten, aber irgend etwas Furchtbares würde er ihm antun. Dessen war sie sich sicher und das musste sie auf jeden Fall verhindern.
Um Zeit zu schinden, war sie kreuz und quer gefahren, nun hatte sie einen Entschluss gefasst. Ihr Leben war ohnehin keinen Pfifferling mehr wert, wenn der Kerl erst hatte, was er wollte. Das hatte er ihr ja mehr oder weniger gerade angekündigt.
     Aber sie würde dafür sorgen, dass er Galimar nicht bekam. Und dafür musste sie diesen Mann vorher ausschalten.
Egal wie.
     Sie trat daher kräftig das Gaspedal durch und der dunkelrote BMW schoss im halsbrecherischen Tempo über die endlos erscheinende Straße.
     Ihr rothaariger Mitfahrer wandte ihr verwundert den Kopf zu.
     »Hey, was hast du vor?«, knurrte er ungehalten, aber sie antwortete nicht.
Mittlerweile hatte der Wagen seine Höchstleistung erreicht und Eleonora erblickte vor sich einen riesigen Tanklastzug, auf den sie nun zuhielt.
     »Du Scheißkerl bekommst mein Kind nicht!«, schrie sie noch, bevor der BMW in den Tanker raste und mit einem ohrenbetäubenden Knall explodierte.

                                                                                        ZEITGLEICH …
     Im gleichen Moment, wo das Auto in seine Bestandteile zerlegt wurde, schrak der 15-jährige Galimar hoch.
Eben noch hatte er versucht, den Ausführungen seines Lehrers aufmerksam zuzuhören. Nun überkam ihn mit einem Schlag eine derartige Leere und eiskalte Angst, die ihn innerlich förmlich zerriss.
     Was war bloß los mit ihm?
     Er meldete sich, während er versuchte die brennende Übelkeit herunter zu kämpfen.
     »Ja, Galimar, was ist mit dir? Geht es dir nicht gut?« Lehrer Ulf Range bemerkte, dass irgendetwas seinen Schüler beunruhigte, denn dieser war blass um die Nase.
     »Darf ich bitte kurz hinaus an die frische Luft?« Galimars Stimme, wie immer sanft und angenehm wohlklingend, konnte nicht über seine innere Unruhe hinwegtäuschen.
     »Sicher doch, geh ruhig. Soll dich jemand begleiten?«
     Galimar schüttelte den Kopf, während er hastig das Klassenzimmer verließ. Nachdenklich blickte der Lehrer dem davoneilenden Jungen hinterher und fragte sich, was diesen so aus der Fassung gebracht haben konnte.
                                                                                                      ***
     Geschockt berichtete ein Augenzeuge des Unfalls später der Polizei, dass der rote Wagen direkt Kurs auf den Tanker genommen hätte.
     »Wissen Sie, dieser Typ in dem Wagen, der ist einfach mitten aus den Flammen heraus gestiegen. Hingegen die Fahrerin … jedenfalls glaube ich das es eine Frau war … die hat’s gleich erwischt. Aber dieser rothaarige Kerl. … Der sah echt merkwürdig aus, wie `n Punker, oder so … Na, ja, eher wie so ein durchgeknallter Rockstar. Jedenfalls ist der seelenruhig da rausgeklettert und gegangen. Einfach so!«
     Der Polizist, der das Protokoll aufgenommen hatte, winkte einen Sanitäter herbei und raunte ihm zu, dass der Augenzeuge vermutlich einen schweren Schock erlitten habe, da er wirres Zeug von sich gab.
                                                                                                         ***
     In sicherer Entfernung zur Unfallstelle, verborgen von dichtem Buschwerk, stand der attraktive Rothaarige mit den smaragdgrünen Augen. Er beobachtete zwar lächelnd, aber auch verärgert die Szene, die sich ihm da bot.
     »Dieses verblödete Menschenweib hätte, dank ihres Stechers, wissen müssen, dass man einen Dämon auf natürliche Weise nicht töten kann«, raunte er leise. Dann steckte er sich in aller Seelenruhe eine erneute Zigarette an und machte sich auf den Weg, um denjenigen zu finden, wegen dem er gekommen war. …



BAND 02 ZEITREISEN:

Albian und seine Begleiterin werden nach und nach fündig. Wobei sie allerdings feststellen, dass der Zeitschlüssel nicht nur Engel, sondern auch Anwärter für die dunkle Seite aufspürt, die es wirklich in sich haben. Gleichzeitig macht sich der Feuerdämon auf, um das Kind der Prophezeiung zu finden, welches für den Ausgang der Schlacht zwischen Licht und Dunkelheit von enormer Wichtigkeit ist. …

BAND 03 DIE RÜCKKEHR:

Nach der zwar erfolgreichen, jedoch, aufgrund eines persönlichen Schicksalsschlags, auch schmerzvollen Suche, kehrt Albian siegreich heim. Wonach er sich, kaum dort angekommen, gleich wieder auf Reisen begibt, um den zweiten Teil seiner Aufgabe zu erfüllen. Die Zeugung des Menschenkindes, dessen Seele sich nach dem Tod mit dem Körper seines seelenlosen Sohnes verbinden soll, um sich hiernach als dreizehnter Krieger für eine Seite zu entscheiden. Licht oder Dunkelheit? … 

BAND 04 DÄMONISCHE SPIELE:

Albians Menschensohn, das sogenannte Kind der Prophezeiung, ahnt nichts von seinem Schicksal und das ihm die Dämonen bereits dicht auf den Fersen sind. Diese verfolgen eine heiße Spur, wobei sie auch auf ihren letzten noch fehlenden Krieger treffen. Dessen Blutopfer sorgt auf Altania im Hort der Engel für einen heftigen Liebesreigen, bringt aber auch Licht ins Dunkel. Unterdessen erfährt die Elfe Mylandra von ihrer Herkunft und verliert gleichzeitig ihr Herz an einen Mann, den sie als unerreichbar erachtet. 

BAND 05 FLUCHT INS UNGEWISSE:

Das Opfer des zuletzt erwählten Dämons findet ihre wahre Liebe und auch Mylandra sieht sich am Ziel ihrer Träume. Sie muss allerdings feststellen, dass auch der schönste Traum sich sehr schnell in einen Alptraum verwandeln kann. Albians Menschensohn begibt sich währenddessen auf die Suche nach seinen Vater und landet ausgerechnet in den Fängen des Feindes, wo er Hilfe von einem Krieger der Dunkelheit erfährt. Diese jedoch mit seiner Unschuld bezahlen muss. 

BAND 06 DER VERLORENE SOHN:

Albians Menschensohn und dessen dämonischer Beschützer verbindet alsbald eine Art Hassliebe, welche bei den anderen Dämonen nicht sonderlich viel Anklang findet. Letztendlich gar in einem Desaster endet und eine ungeheuerliche Wahrheit ans Licht bringt. 

BAND 07 BRÜDER DES LICHTS:

Albian kann endlich nach langen Jahren seinen Menschensohn in die Arme schließen und sein weiteres Bestreben bezieht sich nun auf dessen Schutz. Einer der Engel wird hierfür abkommandiert, ist der Aufgabe aber nicht gewachsen. Die Zeichen stehen auf Sturm, denn Intrigen, Missverständnisse und Verrat sorgen schlussendlich dafür dass alles auf eine riesige Katastrophe hinausläuft, mit deren Verlauf niemand gerechnet hat. 

BAND 08 EMOTIONEN:

Auf Altania rüsten sich die einzelnen Völker für die unausweichliche Schlacht zwischen Licht und Dunkelheit. Wobei der eigentliche Kampf innerhalb der Reihen beider Parteien ausgetragen wird. Mal unerwartet. Mal erhofft und letzten Endes immer mit der richtigen Portion an Herzschmerz, Verlangen und Lust. 

BAND 09 KÄMPFENDE HERZEN:

Im letzten Band der Serie kommt es dann zur großen Entscheidungsschlacht. In deren Verlauf einige ihr Leben verlieren werden. Welche Seite letztendlich den Sieg davonträgt, oder ob es überhaupt einen Sieger gibt? Nun … lest selbst. ;) 


DIE FOREVER YOURS, RICK - REIHE!

Forever yours, Rick - Band 01 - »Maskenspiel!«

LESEPROBE:

Die Entdeckung!


HAMBURG: FR. 24 JUNI 2011

     »Puh, ist das Teil schwer!«
     Die dreizehnjährige Angelina Leonard, von allen Angel genannt, pustete heftig, währenddessen sie sich mit dem unhandlichen Umzugskarton abmühte, den sie gegriffen hatte.
     Ihre sechsunddreißigjährige Mutter Kimberly lachte: »Du besitzt, ebenso wie ich, ein Talent dafür, dir immer ausgerechnet das Schwerste auszusuchen!«
     Die beiden Frauen ackerten schon seit mehreren Stunden, um endlich fertig zu werden. Obwohl den Großteil der Arbeit zum Glück bereits ihre Helfer erledigt hatten. Jetzt galt es lediglich noch den Kleinkram zu verstauen. Kimberly schwor im Stillen, diesmal gründlich auszumisten, damit der nächste Umzug – sollte es einen geben – leichter zu bewältigen war.
     Aus den Augenwinkeln sah sie, wie sich der Boden des Kartons, den Angel trug, gefährlich ausbeulte.
     »VORSICHT«, rief sie, aber zu spät.
     Mit einem lauten Ratschen riss der Kartonboden auf.
     Der gesamte Inhalt purzelte vor Angelinas Füße.
     »So ein Mist«, schimpfte diese, bückte sich jedoch, um alles zusammen zu räumen.
     »Kein Wunder, dass ich mir an dem Teil fast einen Bruch gehoben hatte, bei all den Büchern«, brummte sie dabei leise, hielt indessen inne, da sie einige verschnürte Briefpacken entdeckte.
     »Liebesbriefe?«, grinste sie verschmitzt und wollte ihren Fund schon auf den aufgestapelten Bücherhaufen ablegen, als ein paar Fotos herausrutschten.
     Neugierig griff sie danach.
     Sie stockte.
     »WOW!«, entfuhr es ihr dann.
     Sie folgte ihrer Mutter ins Nebenzimmer, wo die derzeit Kisten aufeinanderstapelte, um mehr Platz für den Rest zu schaffen.
     »Ist etwas zerbrochen?«, fragte Kimberly mit einem kurzen Seitenblick auf ihre Tochter.
     »Sag mal Mama, wer ist denn der rattenscharfe Typ auf den Bildern hier mit dir? Ein ehemaliger Lover?« Das freche Augenzwinkern Angels zauberte eine zarte Röte auf Kimberlys Gesicht.
     Diese Verlegenheit ihrer Mutter erstaunte das Mädchen. Gewöhnlich ließ die sich so leicht durch nichts aus der Fassung bringen.
     »Das ist ein besonderer Freund von mir«, antwortete Kimberly schließlich zögernd. Ihr Blick schien dabei nachdenklich in die Ferne zu gleiten.
     »Nur ein Freund?«, bohrte Angelina weiter, wobei sie erneut ihre Blicke über die markanten Gesichtszüge des jungen Mannes wandern ließ, der ihr vom Foto entgegen lächelte.
     Sie sah auf, da ihre Mutter laut seufzte.
     »Er ist mehr für dich, nicht wahr?«, stellte Angel daraufhin mit Genugtuung fest, erschrak jedoch, angesichts des traurigen Gesichtsausdrucks von Kimberly.
     Diese nahm auf dem Sofa Platz, nachdem sie etliche Zeitungsstapel fortgeräumt hatte, und klopfte neben sich.
     Neugierig kam Angelina der stummen Einladung nach und blickte ihre Mutter erwartungsvoll an.
     »Nun, so ganz lässt sich das nicht von der Hand weisen. Zumindest spielte er lange Zeit eine nicht unbedeutende Rolle in meinem Leben. Aber am besten, ich beginne am Anfang…«

 

   Der Attentäter!

»Wie sagt man so schön, es gibt merkwürdige Arten miteinander Bekanntschaft zu schließen. Meine war zudem äußerst schlagkräftig und sollte den weiteren Verlauf meines Lebens noch reichlich durcheinanderbringen!«…
…Kim Tagebuch 1990 (15 Jahre)

MAI 1977

     Das erste Mal, als Kimberly und Ricardo sich sahen, geschweige denn auf höchst einschlagende Art und Weise miteinander Bekanntschaft schlossen, das ist schon etliche Jahre her.
     Damals spielte die zweijährige Kim im Garten ihrer Großeltern, die im Städtchen Everdorf lebten, auf dem Stück Rasen hinter dem Haus.
     Womit sie spielte?
     Also, das ist unwichtig. Womit kleine Mädchen eben so spielen.
     Nein, nicht mit Puppen! Die interessierten sie nicht.
     Sie war jedenfalls beschäftigt, mit was auch immer – als plötzlich… ja, wie sah das Ding aus, was da so zielsicher angeflogen kam?
     Auf alle Fälle rund, knallbunt und vor allem hart.
     Das zumindest stellte sie mit Bestimmtheit fest, denn schließlich bekam sie das Geschoss mit voller Wucht an den Kopf geschmettert.
     Ein Ball, der sich ausgerechnet ihr edles Haupt zum Landeplatz ausgesucht hatte.
     Es dauerte auch nur kurz, bis der Besitzer auftauchte.
     Nein, er flog nicht, sondern wählte den direkten Weg durch die Gartenpforte, nachdem er diese umständlich geöffnet hatte.
     Er kam geradewegs auf Kimberly zu.
     Die hob den Kopf und öffnete langsam die Augen.
     Das Erste, was sie sah, waren zunächst einmal Sterne, doch dann funkelnde, blaugrüne Kulleraugen.
     Wieder etwas später fokussierte sie den Rest, besser gesagt das, was zu diesen ungewöhnlichen Sehorganen gehörte.
     Der funkelte nicht. Im Gegenteil, das Bürschchen könnte ein Bad vertragen.
     Geht man jetzt davon aus, dass es schon im Kleinkinderalter Liebe auf den ersten Blick gibt, hätte Kimberly eigentlich von dem drolligen Bengel angetan sein müssen.
     Zumindest wenn ihr Zusammentreffen anders verlaufen wäre.
     Momentan sah sie in ihm allerdings lediglich einem lästigen fies grinsenden Knallkopf.
     »Hat es dolle weh getan?« Er starrte sie neugierig an.
     Dämliche Frage!
     Die anschwellende Beule auf ihrer Stirn war ja wohl mehr als deutlich zu sehen.
     »Biste neu hier eingezogen, oder wo kommste so plötzlich her?«, versuchte er, erneut Informationen aus ihr herauszukitzeln.
     Was glaub`ste denn, he?
     Bin extra vom Himmel herab geplumpst, um deine nicht vorhandenen Ballkünste zu bewundern.
     So etwa könnte Klein-Kimmy jetzt trefflicherweise entgegnen. Für eine Zweijährige wäre solch ironischer Wortwitz dann aber doch zu viel verlangt.
     Laut gab sie, statt einer Antwort, ein wahrhaft ohrenbetäubendes Gebrüll von sich. Welches ihr Gesicht in krebsrote und seines in leichenblasse Farbschattierungen verwandelte.
     Zumal der erste Schock vorbei war und ihr Kopf sich darüber beschwerte, was ihr einfiele, bloß dazusitzen, anstatt ihren Schmerz lautstark zu verkünden.
     Das Gezeter bewirkte, dass ihre Familienangehörigen aus dem Haus stürzten, der freche Ballschütze vor Schreck erstarrte und sie einen heiseren Hals bekam.
     Letzten Endes hatte Kimberly sich dann doch beruhigt und sah bereits versöhnlicher in die Runde.
     Ihr Attentäter saß mit an der reich gedeckten Kaffeetafel. Dabei mampfte er Kuchen und Kekse in sich hinein. Inzwischen hatte sie erfahren, dass er Ricardo Turattie hieß und vier Jahre alt war.
     »Aber im September werde ich schon fünf«, frohlockte er munter.
     Kim schmollte.
     Frechheit, dass der Doofmann auch noch eine Belohnung für die Zerbeulung ihres Hauptes erhielt.
     Sie seufzte und sah auf die Terrasse. Im gleichen Moment tauchte dort ein braunhaariger schlaksiger Junge mit dunklen Augen auf. Ungefähr acht Jahre alt, vielleicht auch älter, da er recht großgewachsen war.
     Zumindest schien er etwas oder jemanden zu suchen.
     Kimberlys Attentäter entdeckte ihn gleichfalls, kletterte vom Stuhl, drehte sich um und sagte mit altkluger Gebärde: »War nett mit euch, aber ich muss los. Mein Bruder wartet schon auf mich!«
     Er deutete auf das krasse Gegenteil seiner pummeligen Gestalt.
     »Hol ihn doch herein, Ricardo«, bot Kimberlys Oma an. »Es ist genug Kuchen da.«
     Kimberly seufzte erneut.
     Noch einer von der Sorte!
     Aber, so gestand sie sich ein, nach einem weiteren Blick in die Richtung des Neuankömmlings, wirkte der Typ nicht brutal, sondern eher schüchtern.
     Jedoch das Pummelchen schüttelte bereits den pausbäckigen Kopf. Er erklärte, dass seine Mutter wartete und es nicht leiden könne, wenn ihre Söhne sich verspäteten. Er allerdings gern, für den Älteren, den er Olaf nannte, Kuchen mitnehmen könnte.
Kaum ausgesprochen, griff er auch schon ein besonders großes Stück, welches er sorgsam in einer Serviette einwickelte. Dann hob er grinsend den Blick und trällerte: »Ich wohne mit Papa, Olaf, Laila und unseren anderen Tieren und … na, und eben Mutter dort drüben im Vogelsangweg 8. Und meine Freunde nennen mich nicht Ricardo, sondern Rico!«
     Nach dieser bahnbrechenden Verkündung verabschiedete er sich, zur Erheiterung der Erwachsenen, artig mit Handschlag. Winkte nochmals und wetzte nach drüben, wie er das gegenüberliegende Reihenhaus bezeichnete.

HAMBURG: FR. 24 JUNI 2011

   »So in etwa habe ich ihn kennen gelernt«, endete Angelinas Mutter mit ihrer Erzählung.
     Angelina zappelte aufgeregt herum. »Boah, wie süß. Das mit euch war also so eine richtige Sandkastenliebe, was?«
     Sie grinste. »Obwohl, wer von den beiden ist denn der Typ vom Foto? Olaf oder Ricardo?«
     Kimberly pustete sich eine Haarlocke aus der Stirn und lachte: »Tja, das erfährst du noch. Allerdings von Liebe kann man bei diesem ersten Aufeinandertreffen wahrlich nicht sprechen. Ich empfand die Jungs damals eher wie Eindringlinge in meine bisher so heile Welt. Gleichwohl stimmt es, dass wir uns bereits früh kennen gelernt haben!«
     »Erzähl weiter, Mama. Bittöööööö«, drängelte Angelina mit bettelndem Hundeblick.
     Kimberly seufzte. »Na meinetwegen, du Nervensäge. Eine kleine Pause haben wir uns ohnehin verdient. Aber nur ein bisschen. Immerhin tragen sich die Kartons nicht von alleine rein!«
     »Okay, ich hole uns nur noch was zu trinken«, freute sich ihre Tochter und sauste in Richtung Küche.
     Nur eine Minute später ließ sie sich wieder neben ihrer Mutter nieder, nachdem sie dieser ein Glas Sprudel gereicht hatte.
     »Kann losgehen. Bin ganz Ohr!« …

 

Der Kurschatten!

»Manchmal können Jungs einem tierisch auf den Geist gehen! Besonders, wenn es sich dabei um kleine, dickliche Monster handelt.
Ein solches Monsterchen »versüßte« mir jedenfalls meinen Aufenthalt im Kurort Wiesbaden, der eigentlich der Erholung dienen sollte.
Schock, schwere Not, wenn da nicht dieser süße Kerl mit den wundervollen, braunen Augen gewesen wäre.«
… Kimberly Tagebuch 1988 (13 Jahre)

MAI / JUNI 1983

     Kimberly versuchte krampfhaft, nicht allzu traurig zu wirken, da ihre Eltern vor dem Fenster des VW-Busses standen und ihr aufmunternd zuwinkten. Mit ihren mittlerweile achteinhalb Jahren war sie zum ersten Mal allein von zu Hause weg. Und dann gleich so weit.
Wiesbaden! Da lagen ungefähr viereinhalb Autostunden (je nachdem, wie zügig der Bus fuhr) Entfernung zwischen Hannover und ihrem Zielort dem Taunus. Sechs Wochen sollte sie es da aushalten.
     Angst schnürte ihr die Kehle zu.
     Nervös wagte sie es, einen Blick in die Runde ihrer Leidensgenossen zu werfen. Soweit sie feststellen konnte, fünf Jungen und zwei weitere Mädchen.
Ihr gegenüber saß ein braunhaariger Bursche, dem es anscheinend egal war, ob seine Angehörigen ihm winkten oder nicht, da er ungerührt in einem dicken Buch las.
     Sie drückte ihren über alles geliebten, orangefarbenen Gummihund Bobby, ohne den sie nirgendwo hinging, fester an sich.
     »Was is´ denn das für `n komisches Babyspielzeug? Soll das etwa `nen Hund darstellen? Ich zumindest habe `nen echten zu Hause«, riss sie eine vorwitzige Jungenstimme unvermittelt aus ihren trüben Gedanken.
     Sie setzte dazu an, denjenigen, der gesprochen hatte, zu entdecken, bevor eine andere Stimme sie bei ihrer Suche unterbrach: »Das kam von meinem Bruder Rico. Der ist immer so vorlaut. Beachte ihn am besten nicht weiter, dann lässt er dich bald in Ruhe!«
     Kimberly sah geradewegs in schokoladenbraune Augen, die eindrucksvoll ein freundlich dreinblickendes Jungengesicht beherrschten. Diese gehörten ihrem lesenden Gegenüber, welcher jetzt das Buch zur Seite legte und sie anlächelte.
     »Ich heiße Olaf«, stellte der Dunkeläugige sich vor und reichte ihr die Hand.
     »Kim«, murmelte sie, wobei ihr Herzschlag sie beschleunigte, als sie die ausgestreckte Hand ergriff.
     Er lächelte erneut, widmete sich danach allerdings wieder seiner Lektüre.
     Also starrte sie abermals aus dem Fenster.
     Ihre Eltern standen immer noch am selben Fleck. Sie unterhielten sich lebhaft mit einem anderen Elternpaar.
     »Meine Eltern«, richtete Olaf nochmals das Wort an sie und wies mit einer Kopfbewegung auf die Gesprächspartner von Kimberlys Angehörigen.
     In dem Moment wurde die Wagentür aufgerissen.
     Eine Frau mittleren Alters stieg hinein, die sich ihnen als Frau Stock vorstellte.
     »Ihr müsst immer an Knüppel denken, dann vergesst ihr meinen Namen nicht«, scherzte sie.
     Alle lachten.
     »Okay, wird gemacht Frau Knüppel aus dem Sack!«
     Zweifelsohne die gleiche vorwitzige Stimme von vorhin.
     Kimberly sah Olaf an und grinste, da der die Augen theatralisch verdrehte.
     Frau Stock lächelte trotz der frechen Bemerkung und strich einem kleinen, dicken Jungen über dessen rabenschwarzes Wuschelhaar.
     Im selben Moment, wo Kimberly ihn anstarrte, drehte er den Kopf zur Seite und sie sah das spöttischste Grinsen, welches jemand zustande bringen konnte. Und außerordentlich, sie musste neidvoll zugeben, wunderschöne türkisfarbene Pupillen, die irgendwie nicht zu ihm passten, lachten sie regelrecht an. Oder vielmehr aus.
     Sie fand, diese Traumaugen standen eher so einer Art Märchenprinz zu, aber nicht einem kleinformatigen, rotzfrechen Dickerchen.
     »Ey Junge, glotzt du immer wie `n Mondkalb?«, fragte er spitz.
     Junge? Spinnt der?
     Entrüstet wandte sie sich ab. …